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Gut aufgehoben

Vor fast fünf Jahren wurde der Verein »Erinnerungsbibliothek DDR« gegründet. Seine Sammlung wurde inzwischen vom Bundesarchiv übernommen

Von Arnold Schölzel
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Berlin am 4. Dezember 2008: Inzwischen wird mit Büchern der Gegenbeweis gegen diesen Satz angetreten

Aus der Selbstdarstellung des Vereins »Erinnerungsbibliothek DDR«:
Die DDR ist Geschichte. An der Bewertung dieses kleinen Staates im Osten Deutschlands scheiden sich noch heute die Geister. Dabei geht die Bandbreite von Verklärung bis Verteufelung dieses ersten Versuches, auf deutschem Boden einen sozialistischen Staat aufzubauen. (...)
Um folgenden Generationen zu helfen, ein objektiveres Bild von dem, was die DDR war, zu gewinnen, haben wir einen Verein gegründet.
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Im August 2012 gründet sich der Verein »Erinnerungsbibliothek DDR«. Wie sein Name besagt, stellt er sich die Aufgabe, möglichst viel biographisches Material von einstigen Bürgern der DDR oder über sie zu sammeln und für die Nachwelt sicher zu verwahren.
Den Anstoß, der zur Vereinsgründung führte, hatte ein Artikel über den als »Taubendoktor« bekannten Veterinär Rolf Funda aus Staßfurt in Sachsen-Anhalt gegeben, der Heiligabend 2011 unter dem Titel »Der Traum von einer ganz besonderen Bibliothek« in der Zeitung Neues Deutschland erschienen war. Die Autorin Gabriele Oertel schrieb darin über seine Idee, möglichst viele Autobiographien zu sammeln, um sie für spätere Generationen aufzubewahren. Funda selbst schilderte 2014 in der Zeitschrift Rotfuchs das Echo auf seinen Text so: Es »brach eine wahre Flut von Anrufen, E-Mails und Briefen über mich herein. Niemals hatte ich mit einer derart überwältigenden Reaktion gerechnet. Und so zeichnete sich bald ab, dass dieses Projekt einen einzelnen hoffnungslos überfordern würde, so dass sich nur ein gemeinnütziger Verein dieser großen Aufgabe stellen könnte.«
Was als private Sammlung ostdeutscher Lebenserinnerungen begann, wuchs tatsächlich zu einer einmaligen Buchkollektion heran. Auf der Internetseite des Vereins sind heute 850 Bände verzeichnet, alphabetisch geordnet und mit Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren versehen: von Horst Adam (»Einblicke – Erinnerungen«, 2006) und dem »Brigadetagebuch« der ADN-Bezirksredaktion Karl-Marx-Stadt von 1971 bis 1989 bis Michael Zobel (»Sowjetparadies. Mein Leben in drei Gesellschaftssystemen«, 2016) und Helga Zschieschang (»1930–2000. Rückblick in Zehnjahresschritten«, 2000). Bereits die kurzen biographischen Notizen lassen ahnen: Diese Sammlung ist nicht nur für historische Disziplinen von Bedeutung, es handelt sich auch um ein Politikum. Sie zeugt vom Eigensinn und dem Willen, sich von den Kampfbegriffen, die bis in die Partei Die Linke bei DDR reflexartig fallen, nicht beeindrucken zu lassen. Die Reduktion des verschwundenen Staates und seiner Gesellschaft auf »Mauer«, »Stasi«, »Unrechtsregime« schlägt sich hier nicht in Empörung oder einer Auseinandersetzung mit Propaganda nieder, sondern im Beharren darauf, etwas anderes erlebt zu haben als das, was in Kino- und Fernsehfilmen, in Ausstellungen und Büchern landauf, landab erzählt wird. Die neuste Studie der Bundesbeauftragten für die »neuen« Bundesländer, die jeden Standard einer wissenschaftlichen Studie unterschreitet und eine besondere Neigung Ostdeutscher zu neofaschistischen Einstellungen diagnostizierte, ist nur noch Wiederkäuen ranzig gewordener Vorurteile. Aber exemplarisch für etwas, das seit 27 Jahren fast ununterbrochen anhält.
Beilage Kinder, 3105
Erstaunlich ist allerdings auch, dass eine Kollektion von Erinnerungsliteratur in diesem Umfang entstehen konnte – vermutlich gibt es nichts Vergleichbares nach ähnlich tiefgreifenden historischen Zäsuren bereits nach so kurzer Zeit. Der Grund für diesen beachtlichen Umfang ist wohl ziemlich einfach: Es waren Zehntausende hochqualifizierter Menschen, die 1989/90 aus ihren Berufen gerissen oder gleich ganz ins soziale Abseits gestellt wurden. Sie konnten und können schreiben. Funda umriss das 2014 so: »Die das Ende der DDR herbeiführenden Ereignisse der Jahre 1989/90 hatten zur Folge, dass zahllose Menschen in zuvor verantwortlichen Positionen, oft gerade auf dem Höhepunkt ihres Leistungsvermögens, von heute auf morgen in die ›Wüste‹ geschickt wurden: Botschafter, die am 2. Oktober 1990 noch als hochangesehene Diplomaten galten, waren am nächsten Tag arbeitslos. Hochschullehrer, Schuldirektoren und Pädagogen, Betriebs- und Kombinatsdirektoren, Generäle und Offiziere der NVA, der Volkspolizei, des Zolls und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) saßen plötzlich ohne jede Absicherung auf der Straße. Nicht anders ging es Funktionären der Parteien und Massenorganisationen, Chefs von Krankenhäusern und Polikliniken, Kreistierärzten, LPG-Vorsitzenden und Leitern volkseigener Betriebe.«
In der »Erinnerungsbibliothek DDR« ist Material zusammengetragen worden, das seinesgleichen sucht. Funda selbst meint, die über 850 Bände, zu denen 50 weitere demnächst hinzukommen, seien »durchaus keine Märchensammlung«, in der alles verherrlicht werde, was DDR gewesen ist. Die Verfasserinnen und Verfasser hätten authentisch über ihr Leben geschrieben. Das dürfte selten konfliktfrei gewesen sein, und in vielen Arbeiten dürften auch jene Beulen erwähnt werden, die nicht vom Klassenfeind stammten. Man könne hier lernen, so der Vereinsvorsitzende, »wie Mädchen und Jungen nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg vor dem Nichts standen, die Entwicklungs- und Bildungschancen nutzten, die ihnen geboten wurden«.
Den Wert dessen, was vom Verein zusammengetragen wurde, hat inzwischen auch das Bundesarchiv erkannt. Die Außenstelle in Berlin-Lichterfelde übernahm vor knapp zwei Jahren die gesamte Bibliothek, die ersten Bände sind bereits mit Signaturen versehen und verfügbar. Auch sie sind auf der Webseite der »Erinnerungsbibliothek DDR« zu finden. Es bleibt also einiges.
Im Internet: erinnerungsbibliothek-ddr.de

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