Großdemonstration in Spaniens Hauptstadt gegen schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen. Korrupte Rechtsregierung am Pranger
Von Peter Steiniger
Rajoys Regierung hat sich verrechnet: In Spanien wächst der Widerstand gegen eine Politik des gesellschaftlichen Rückschritts erneut (Madrid, 27.5.2017)
Foto: M.Ramirez / Pacific Press/ picture alliance
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In Madrid wurde am Samstag die Unzufriedenheit deutlich. Aus dem ganzen Land waren Demonstranten mit 200 Bussen zum »Marsch der Würde« unter der Losung »Brot, Arbeit, Wohnung und Gleichheit« ins Zentrum der spanischen Hauptstadt gekommen, um gegen die Politik der konservativen spanischen Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy zu protestieren. Aufgerufen hatten Gewerkschaftsverbände, linke Parteien und Organisationen. Die Veranstalter sprachen anschließend von 200.000 Teilnehmern, deren sechs Marschkolonnen sich am Boulevard Gran Via vereinigt hatten und die zur Plaza de España geströmt waren. Regierungsvertreter wollten dagegen nur klägliche 6.000 Demonstranten gezählt haben. Angesichts der Bilder ein lächerlicher Versuch, das Ereignis politisch abzuwerten.
Der Marsch sollte an die großen Massenaktionen in der jüngeren Vergangenheit des iberischen Landes anknüpfen. Er endete mit der Verlesung eines Manifests und richtete sich insbesondere gegen die sogenannten Arbeitsmarktreformen der spanischen Regierung, mit denen der Kündigungsschutz weitgehend ausgehebelt wurde. Zu den Forderungen zählen die Bekämpfung prekärer Arbeitsbedingungen, bessere Renten und ein Ende der Privatisierungen im öffentlichen Dienst. Angeprangert wurden von den Initiatoren auch die Zustände im Bildungssektor und Gesundheitswesen. Ein weiteres wichtiges Thema des Protestes war die Gewalt gegen Frauen in der spanischen Gesellschaft. Verlangt wurde zudem die Abschaffung des vordemokratischen »Knebelgesetzes« (»Ley Mordaza«), mit dem unter dem Deckmantel der Sicherheitspolitik das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt, Veranstalter und Teilnehmer von Demonstrationen mit hohen Strafen bedroht werden. Für Empörung sorgt weiterhin die Praxis der Zwangsräumungen von Wohnungen, deren Besitzer häufig durch die steigenden Zinsen auf Bankkredite ruiniert wurden.
Die große Beteiligung am Marsch sehen die Organisatoren als ein klares Signal dafür, dass die Zeit der Resignation und des Rückzugs vorbei ist. Silvia Salamanca, eine der Koordinatorinnen, betonte, dass eine solche Demo nötig war, »weil der Kampf auf der Straße der einzig mögliche Weg« sei. Den Weg dorthin hatten auch Vertreter von Parteien gefunden, darunter mehrere führende Politiker vom Linksbündnis »Podemos«. Für Alberto Garzón, Vorsitzender der Partei »Izquierda Unida« (Vereinigte Linke), ist der Erfolg ein Indiz für eine »allgemeine Unzufriedenheit« angesichts der Skandale, in denen die regierende Volkspartei (PP) steckt. Die linken Parteien müssten zeigen, dass sie »die Alternative sind, um das Land wieder aufzubauen.« »Wir brauchen eine neue Regierung, ohne die Beteiligung einer Partei, die durch und durch korrupt ist, wie es die Volkspartei ist.«
Das Wiederaufleben der großen Proteste fällt in eine Zeit, in der Rajoys konservative Minderheitsregierung den konjunkturellen Aufschwung vor sich herträgt. Doch bei vielen Spaniern kommt der nicht an, neue Arbeitsplätze sind häufig prekär: schlecht bezahlt und oft nur befristet. Mit fast 19 Prozent liegt die offizielle Erwerbslosenquote noch immer weit über dem europäischen Durchschnitt. Große Korruptionsaffären im Lager der Konservativen um Hunderte Millionen Euro, die sich um Staatsaufträge und schwarze Konten drehen, haben das Ansehen der Rajoy-Regierung gründlich ruiniert.
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